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Kleine philosophische Beilage zur alten Frau

Kleine philosophische Beilage zur alten Frau

 „Moses ist einer der ersten großen Medienmacher“ sagt Jochen Hörisch: „Er hat die Oralität, also die Mündlichkeit,  in die Schriftlichkeit transformiert, als er die 10 Gebote erstmals auf Tontafeln schrieb – also ein Medienmacher von elementarer, großer Reichweite“, bis heute möchte man ergänzen. 

Denn so konnte die vormals nur mündlich weitergebene Botschaft Gottes (z.B. bei der Schöpfung des Universums und der Erde: „Es werde Licht…“)  verschriftlicht werden und hat dann zu dem Buch der Bücher, der Bibel geführt, die heute noch das meist gedruckte Buch der Welt ist, als zentrales Leitmedium vieler Menschen.

Vielleicht kann man eine solche Übertragung mit der „Digitalen Revolution“, also der Wandlung von Buchstaben in Zeichen von Nullen und Einsen vergleichen, nur dass die Tontafel und das gedruckte Buch wahrscheinlich wesentlich haltbarer sind als digitale Medien, die durch immer ständig neue Verfahren eine viel kürzere Halbwertzeit haben (unabhängig von den dadurch immer neuen Maschinen der Sichtbarmachung, dem Strom, den Hackern usw.) Es wäre spannend, wenn wir dieses einhundert Jahre später einmal überprüfen könnten, doch das kann Gott nur alleine, denn unsere größte, einhundert Prozent sichere Gewissheit ist unser Tod, der diese Vision leider verhindert.

Natürlich kann man in einem solch kleinen Blogbeitrag die überwältigenden Thesen Hörischs nur anreißen, nur so viel sei gesagt:

Für ihn sind alle großen „Religionsereignisse auch Medienereignisse“, denn ohne „Missionen gibt es keine Religion und keine Radio- oder Fernsehsendung“ sagt er und geht in seiner Analyse von Religion und Medien noch weiter: “Die Tele-Vision ist der Kernbestand des theologischen Geschäftes“. Und des heutigen Mediengeschäftes. Für ihn sind Priester und Theologen Televisionäre, die „dahin blicken können, wo wir armen Laien nicht hinschauen können.“ Ähnlich den Kameras und Mikrophone, die uns das vermitteln, wohin wir Mediennutzer sonst nicht hinschauen und hinhören könnenVon den allumfassenden, weltweiten Botschaften und Sendungen des Internets ganz zu schweigen.

In dem Zusammenhang bestätigt sich der bekannte Satz „The Medium ist the message“ („Das Medium ist die Botschaft“) von Marhall McLuhan. Das Wort Gottes und die frohe Botschaft Jesu werden in der Kommunion durch die Hostie täglich erneuert – als Botschaft selbst. So wie für die alte Frau, für die das Medium, die Botschaft und die Inhalte sich in eins vermischten. Ihre Kommunikation war Kommunion. Und umgekehrt.

Die Botschaft Gottes, die in Jesus selbst Fleisch wird, vergleicht Hörisch mit einem modernen 3D Drucker (z.B. CNC) der Zukunft, der die in ihn hineingegebene Schriftlichkeit umwandelt in dreidimensionale, haptische Gegenstände, wie die göttliche Botschaft durch Jesus mittels der Jungfrau Maria Fleisch wird, dann allerdings wieder (am Kreuz) umkommt (Verfall des haptischen, dreidimensionalen Gegenstandes) und dessen immer weiter sich entwickelnde Erneuerung. Update als Auferstehung aus der letzten Version. (Übrigens sieht Hörisch einen engen Zusammenhang und Ähnlichkeit  zwischen der runden CD-Rom, in der das Wort ROM vorkommt – Read only Memories – und der Oblate, der Hostie. Letztendlich auch der runden Geldmünze, durch die der Glaube zur Gewissheit des Tauschgeschäftes wird. Solange alle daran glauben. Aber das ist dann auch wieder eine andere Geschichte).

„Blut- und Geldströme werden von den Medienströmen des World-Wide-Web auf ihre Plätze verwiesen“. Entsprechend „konvertiert“ die Kirche zum Kino, der Glauben vor dem Kreuz zum Glauben an die tägliche Inszenierung auf dem Schirm, Gottes Güte zu „Alles wird gut“ (Nina Ruge)

Die Wissenschaft hat sich schon lange mit der Verknüpfung von Medium und Religion beschäftigt, so z.B. der in Dortmund lehrende Medienwissenschaftler Claus Eurich, der bereits 1999 schrieb: „Das Medium als menschgemachter Mythos stiftet Sinn, welchen auch immer, es deutet Welt, wie auch immer, es schenkt Vertrautheit, ständige Präsenz und Heimat, wo auch immer, es berührt Menschen in ihrer Sehnsucht und ihren Träumen und appelliert an das Unbewusste, auf welche Weise auch immer“  Und da sind wir wieder bei unserer alten Frau mit ihrem Mehr angekommen – bis sie in ihrem Tod durch das Medium eins wird mit ihrem Gott.

Wem das alles zu theoretisch, theologisch und kompliziert ist oder wer sich ein wenig intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte, dem empfehle ich den auf Youtube (Digitales Medium! Eben auferstanden) für eine nächste Zeit festgehaltenen Vortrag des protestantischen Prof. Dr. Jochen Hörisch, der dies alles mit „diabolischer Provokationslust“ auf dem Medienkonzil der evangelischen Kirche in Nürnberg vorträgt. Zum Vortrag von Prof.Dr.Jochen Hörisch >/Link:

 >>Zum Vortrag von Prof. Dr Jochen Hörisch auf dem Medienkonzil zum Thema „Netz-Visionen: allmächtig und allgegenwärtig“ 2015, Nürnberg

Und alle, die das nervt, sollen einfach beten, den lieben Blog den lieben Blog sein lassen und ihre Religion als sichern Hafen des diesseitigen, von Gott  geschenkten Lebens im Jammertal der Erde und dem warmen Bahama-Himmel als unsicheren, aber Trost  spendenden Glauben des Jenseits leben. Amen.

Prof.Dr.Jochen Hörisch lehrt in Mannheim Germanistik und Medienwissenschaft. Seine zahlreichen Auftritte in Radio, Fernsehen und Internet handeln unter anderem von den Problemen dieses digitalen Wandels, sowie der Beziehung zwischen Geld, Religion und Medien. Bei der CICERO-Liste der 500 wichtigsten intellektuellen Vordenkern in Deutschland ist auch Prof.Dr.Hörisch genannt.